Geboren und aufgewachsen im kleinen, idyllischen Osterode am Harz verließ ich meine Heimat zunächst für ein knappes Jahr, um in Hannover meinen Zivildienst zu leisten. Da ich das Abitur in der Tasche hatte, war es für mich erstmal selbstverständlich, anschließend zu studieren und so schrieb ich mich an der Goethe-Uni in Frankfurt am Main für ein Studium ein, das ich nach fünf Jahren mit einem Diplom in der Tasche erfolgreich absolvierte. In dieser Tasche liegt das Diplom heute noch.
Es ist vermutlich nicht der gewöhnlichste Werdegang eines Fotografen, vorher ein Diplom in Biologie zu machen. Ich glaube aber, es ist nicht ungewöhnlich, mit 19 Jahren noch nicht zu wissen, wo die Reise hingehen soll.
Damals hatte ich große Pläne: Ich wollte nach New York auswandern, dann nach Großbritannien oder wenigstens nach Berlin, der erste aus meiner Familie mit einem Doktortitel sein, die ganz große Karriere machen. Doch manchmal kommt alles anders. Und auch wenn sich einschneidende Lebensereignisse zugetragen haben, so hatten diese auch etwas Gutes: Sie bringen einen zum Nach- und Überdenken.
Nach einem Aufenthalt in Großbritannien und diversen Praktika sah ich dann ein, dass es für mich auf der Naturwissenschaftsebene nicht weitergeht. Ich trat drei Schritte zurück und blickte auf mich und meine Zukunft und wie ich diese gestalten will. Ich überlegte, woran ich schon immer Freude hatte und wie ich meine Arbeit zu meiner Erfüllung werden lassen könnte.
Ich bewarb mich für ein letztes Praktikum. Diesmal nicht als Biologe, sondern als Mitarbeiter einer Fotoagentur in Hannover. Ich musste herausfinden, ob mir das, was mir seit ich eine Kamera halten konnte immer Spaß gemacht hat, auch noch zusagt, wenn ich es machen muss. – Das hat es.
Nachdem aus meinem Praktikum eine Anstellung geworden war, fragte ich meinen Chef, ob er mir zutrauen würde, mich selbstständig zu machen. Sein damaliges „Ja“ ist einer der Gründe, weswegen ich jetzt diesen Text hier schreiben darf.
Ich ging zurück nach Osterode, startete ganz klein mit der Kamera, die ich schon hatte, mit Hochzeiten im Freundeskreis und mit der Unterstützung von Familie und Freunden.
Nach meiner Zeit in Frankfurt und Hannover merkte ich auch, dass das Glück so nah sein kann und ich entwickelte eine tiefe Verbundenheit zu meiner alten Heimat.
Heute bin ich mir sicher: Es waren schwere, aber richtige Entscheidungen, die ich getroffen habe und es gibt keinen Job, der mich glücklicher machen könnte als der, den ich jetzt ausübe.
Es sind die Menschen, die ich durch meine Aufträge kennenlerne, deren Geschichten und der Sinn in dem, was ich tue, der meinen Job zur Erfüllung werden lässt.
Es sind die Menschen, die ich durch meine Aufträge kennenlerne, deren Geschichten und der Sinn in dem, was ich tue, der meinen Job zur Erfüllung werden lässt.“
Es gibt viele Eigenschaften, die ein guter Fotograf haben sollte: Neben der technischen Ausstattung und dem Know-How natürlich auch ein Auge für Ästhetik, Posen, Komposition, Farben, Licht, Schatten und natürlich jede Menge kreative Energie (und bestimmt auch ein bisschen Talent).
All diese Eigenschaften sind unentbehrlich. Aber was bringt einem der beste und talentierteste Fotograf, wenn er kein Einfühlungsvermögen besitzt?
Augen sind das Fenster zur Seele, so sagt man. Sie bringen das Innere des Menschen zum Vorschein, spiegeln den Gemütszustand, Leid sowie Wohlbefinden und Selbstbewusstsein wider. Beim Fotografieren liegt der Fokus stets auf den Augen. So kann eine Aufnahme auch nur so gut werden wie sich die fotografierte Person fühlt. Und dieses Gefühl steht und fällt mit dem Fotografen.
Deshalb liegt es mir über die Maßen am Herzen, dass sich die oder der Fotografierte in seiner Haut und in der oft ungewohnten Situation vor der Kameralinse wohlfühlt. Es ist mir wichtig, dem Kunden Wünsche von den Augen ablesen zu können und auf dessen Bedürfnisse entsprechend einzugehen. Eine Hochzeit wird für das Brautpaar entspannter, wenn der Fotograf mit dessen Nervosität umgehen kann und Familienbilder werden besser, wenn er bei quirligen Kindern nicht die Geduld verliert.
Auch ich bin oft „ein Kunde“ und habe mir in dieser Position schon häufig gewünscht, mit einem Lächeln begrüßt und mit offenen Armen empfangen zu werden.
Ein Lächeln macht vieles leichter… und Fotos schöner!
Es war ein langer Weg bis hierher und das Ende ist noch nicht erreicht. Wenn man den Weg als Ziel betrachtet (und das tue ich), ist das ein gutes Zeichen! Natürlich hat mein Job auch Schattenseiten. Im Sommer bin ich ständig unterwegs und die Nachbearbeitungen von Hochzeiten und Fotoshootings türmen sich im virtuellen Datenspeicher, während im Winter meist gähnende Leere herrscht. Bei all den guten anderen Fotograf:innen da draußen ist es auch nie selbstverständlich, dass mein Kalender gut gefüllt ist.
Als Selbständiger macht man nahezu alles selbst. Man wächst stetig mit seinen Aufgaben, braucht jedoch auch verständnisvolle Freunde, wenn man eine Einladung an einem Sommersamstag wieder mal nicht einhalten kann.
Für mich sind meine Kund:innen, mehr als nur Auftraggeber:innen. Die allermeisten lerne ich in privatester Umgebung kennen – auf ihrer Hochzeit, als Verliebte, als werdende Eltern, zu Hause mit den Kindern. Es ist ein Privileg, als „Fremder“ so nah an das Leben so vieler Menschen herangelassen zu werden, ihre schönsten und innigsten Momente einfangen zu dürfen. Vertrauen spielt eine große Rolle und ich schätze es sehr, dass mir dieses Vertrauen so oft zugesprochen wird.
Als Biologe wird man von anderen Naturwissenschaftlern oft als „Knöpfchendrücker“ bezeichnet. Zentrifuge, Inkubator, Pipette… Jetzt drücke ich den Knopf an meiner Kamera! Allerdings mit einem ganz anderen Gefühl: Dem Gefühl, unmittelbar ein positives Ergebnis erzeugen zu können, das in der Nachbearbeitung noch einmal ein bisschen schöner wird. Am schönsten ist jedoch der Gedanke daran, anderen Menschen hiermit zu helfen, sich für immer an ihre schönsten Lebensereignisse erinnern zu können.